Samstag, 24. Januar 2009
 
Frankreich nach dem 1. Wahlgang PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Johann Schögler   
Montag, 30. April 2007

Sieger und viele Verlierer
Nicolas SARKOZY (bürgerlich-rechte UMP:31%)
Ségolène Royal (sozial-liberale SP:25,41%)
und Francois Bayrou (UDF:18,76%) rechts-zentristische Partei

Eine total veränderte Parteienlandschaft:
Absturz des rechtsextremen Le Pens; eine große neue Zentrumspartei; Verluste der antikapitalistischen Linken, mit Ausnahme von Olivier Besancenot (LCR), weitere Erosion und Krise auch in der KP; Öffnung der SP zum rechten Zentrum

Dass Nicolas Sarkozy (UMP), der charakterlich autoritäre, unberechenbare, immer auf Konfrontationskurs gehende Rechtspolitiker, der mit 11 Millionen Stimmen als Sieger aus dem ersten Wahlgang vom 22. April hervorging (noch nie hatte in den letzten 45 Jahren ein Kandidat so viele Stimmen erhalten) auch am 6. Mai im zweiten Durchgang gegen Ségolène Royal (SP) in der Stichwahl gewinnt, ist wahrscheinlich, da die Wahlarithmetik eindeutig für ihn spricht.
Sarkozy + Le Pen + Villiers 43% + 8% der 18,76% der bürgerlichen Stimmen Bayrous würden reichen.

Die gesamte Linke konnte nur auf 36,7% der Stimmen kommen, davon 9 % für die antikapitalistische Linke.
Trotzdem besteht die Chance, dass Ségolène Royal (SP) es schafft, denn die sofortige Öffnung der SP zum Zentrum (Royal bot Bayrou umgehend einige Ministerposten an ...) könnte dies ermöglichen. Der Grün-Politiker Daniel Cohn-Bendit (er werkt an einer öko-sozial-demokratisch zentristischen Regierungsvariante) reihte sich gleich unterstützend im ersten großen Meeting Royals ein und forderte Bayrou auf, sich auf die Seite Royals zu stellen, denn er hatte sich bei den italienischen Wahlen ja auch für die gemäßigte Zentrum-Linkskoalition Prodis ausgesprochen. Diesmal meldete sich auch Prodi in diesem Sinne zu Wort. Sarkozy will das Oppositionslager links/rechts unbedingt aufrecht erhalten.

Bayrou gibt zwar keine Wahlempfehlung ab, aber Sarkozy hat sich geweigert, mit ihm eine Fernsehdiskussion zu führen und wollte über seine einflussreichen Kanäle verhindern, dass Bayrou auch mit Royal diskutiert. Dies ist ihm misslungen. Die öffentliche Diskussion fand am 28. April statt und Ségolène Royal konnte damit punkten. Beide blieben bei ihren Differenzen. Beim Wirtschaftsprogramm gibt es einige Unterschiede, aber sonst könnten die beiden sich vorstellen, in einer Koalition (rechts/links) gemeinsam zu regieren. Die alles entscheidende Frage ist, für wen diese über 6 Millionen Bayrou-WählerInnen mehrheitlich im zweiten Durchgang stimmen. Es müssten sich allerdings 80% auf Royal übertragen.

Die antikapitalistische globalisierungskritische Linke ruft auf, gegen Sakozy zu stimmen, indem sie taktisch einen Wahlzettel für Royal abgeben, ohne diese aber mit ihrem sozial-liberalen Programm zu unterstützen. Im Gegenteil, sie werden für die sozialen Themen auf der Straße und in den Betrieben mobilisieren und das könnte – wie man in Frankreich sagt – der dritte Wahlgang sein. Die Kontaktaufnahme Royals zum globalisierungskritischen José Bové (er sollte das SP-Programm hinsichtlich Ernährungssouveränität bereichern) und dem antikapitalistischen Olivier Besancenot (LCR, der auch vergeblich aufgefordert wurde, Punkte seines Programms in der SP einzubringen) zeigt nur, dass Royal sich nicht mehr sicher sein kann, die linksextremen Stimmen zu bekommen, wenn sie sich zu weit in Richtung Zentrum (Bayrou) öffnet.
Die früheren Koalitionspartner der SP, die Grünen, fielen von 5,2% auf 1,5% und die KP von 3,3% auf 1,9%. Somit hat die SP keine ausreichenden Koalitionspartner auf ihrer linken Seite mehr – die Trotzkisten weigern sich zu Recht, mit der SP eine sozial-liberale Politik mit umzusetzen – und daher hält sie Ausschau nach rechts in Richtung Zentrumspartei Bayrous.

Höchste Wahlbeteiligung

Die höchste Wahlbeteiligung seit 45 Jahren mit 85% bei 44,5 Millionen Wahlberechtigten beweist, dass der Wahlkampf allseits engagiert geführt worden war und fast niemand gleichgültig ließ. Dies hatte jedoch auch zur Folge, dass die links- und rechtsextremen Anteile benachteiligt wurden.
Begünstigt wurde das hohe Ergebnis der drei Kandidaten (Sarkozy, Royal, Bayrou) vor allem auch dadurch, dass die extremen Teile für eine "nützliche Stimmenabgabe" entgegen ihren eigenen Auffassungen votierten, damit nicht das Trauma der letzten Wahl 2002 eintritt, als der SP Kandidat vom rechtsextremen Le Pen übertrumpft worden war und zwei Rechte im Finale zur Stichwahl standen.

UMP: Nicolas Sarkozy konnte dieses hohe Wahlergebnis (11 Millionen Stimmen; Chirac hatte 2002 gerade um die Hälfte weniger erreicht) erzielen, indem er in der letzten Wahlkampfphase einen Teil des rechtsextremen Programms von Le Pen (Nationale Front) übernahm. Somit gelang es ihm ,eine Million Stimmen von Le Pen abzusaugen. In der Wahlsiegeransprache gab sich Sarkozy sofort wieder gemäßigt und versprach, für alle Franzosen zu regieren und niemanden auszugrenzen. Nahezu alle wichtigen Mandatsträger von Bayrous Partei UDF konnten von Sarkozy zur Mitarbeit bereits gewonnen werden.
Die meisten Stimmen bekam die UMP von Unternehmern, Kleinhändlern und Freiberuflern (37%) und die wenigsten von den Arbeitern (17%), hauptsächlich sind es ältere WählerInnen über 65 Jahre.

SP: Ségolène Royal (9 Millionen Stimmen ) hat versucht, sich vom SP-Parteiapparat zu lösen, und auch mit ihrer Ansprache am Wahlabend war sie eine der Letzten. Erst drei Stunden nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses lieferte sie ihre Ansprache, die als reine Wahlkampfrede für den 2. Wahlgang vorbereitet worden war.
Parteiintern gibt es Widerstand gegen die Öffnung nach rechts von Henri Emmanuelli (Strömung: "Neue sozialistische Partei"). Er schlägt die Gründung einer großen neuen progressiven Partei vor; und dies gleich zwischen dem 6. Mai und den Legislativwahlen im Juni.
Die meisten Stimmen bekam die SP von den Berufen der Mittelschichten (31%) und den Angestellten (27%).Die wenigsten (23%) von leitenden Angestellten, Intellektuellen und nur 24% von den Arbeitern (dort ist Le Pen mit 26% immer noch an der Spitze). Mehrheitlich sind es junge Leute, denn 34% aller 18-24- Jährigen haben SP gewählt.

UDF: Francois Bayrou konnte die höchsten Gewinne verzeichnen. Von 2 Millionen Stimmen 2002 kam er 2007 auf 6,6 Millionen, die darüber entscheiden, wer Präsident werden wird. Auch er will eine neue Zentrumspartei gründen (die demokratische Partei) die bei den Legislativwahlen im Juni vor allem der SP und der UMP die Plätze streitig machen soll. Die meisten Stimmen (28%) bekam er bei den leitenden Angestellten und akademischen Berufen; die wenigsten bei den Pensionisten. Nach der Diskussion am 28.April mit Royal spricht sich eine Mehrheit der Bayrou-WählerInnen dafür aus, am 6. Mai für Royal zu stimmen.

FN: Le Pen, der zwar eine Million WählerInnen an den radikal rechts auftretenden Sarkozy verloren hat, behält immer noch einen breiten Kern von 3,8 Millionen Stimmen der Rechtsextremen, die also weiterhin in der französischen Gesellschaft sicher verankert bleiben. Für Le Pen mit seinen 78 Jahren war es die letzte Chance, an die Macht zu kommen. Rufe nach einem vorverlegten Parteikongress für die Ablöse werden laut. Den höchsten Anteil seiner Stimmen bekommt er immer noch bei den Arbeitern, denn 26% von ihnen haben FN gewählt (die wenigsten bei den leitenden Angestellten und Akademikern, nämlich 3%). Le Pen redet noch von einem ideologischen Sieg, denn seine Themen über Sicherheit, Immigration, Nationale Identität wurden durch Sarkozy gesellschaftsfähig gemacht. Er habe die Unzufriedenheit der Franzosen mit den herrschenden Parteien jedoch falsch eingeschätzt. "Mit den sieben Millionen Armen, vierzehn Millionen verarmten Arbeitern, einer defizitären Handelsbilanz, einer Staatsverschuldung von 2500 Milliarden Euro" meinte er in seiner Ansprache nach der Wahl, hätten die Franzosen die dafür verantwortlichen Parteien abwählen müssen.

LINKS VON DER SP

In Prozenten haben die Gruppierungen: LO; LCR; PT KP Grüne im Vergleich zu 2002 neun Prozent verloren. In Stimmen waren es 2002 5,3 Millionen, 2007 3,8 Millionen. Es hatte 2007 um 3,3 Millionen Wahlberechtigte mehr gegeben. LCR war die Ausnahme: Olivier Besancenot war der einzige unter den antikapitalistischen globalisierungskritischen KandidatInnen, der Stimmen dazu gewinnen konnte, nämlich 290 000. In Prozenten erreichte er 4.08%, was durch die hohe Wahlbeteiligung um 0,12% weniger als im Jahr 2002 darstellt.
55% seiner Stimmen kamen von Frauen, 49% aller Stimmen von WählerInnen unter 34 Jahren. Er erhielt einen Großteil seiner Stimmen außerhalb der Stadtzentren, und es ist möglich, dass er einen Teil der KP- und LO-WählerInnen von 2002 anzog. 50% haben ihn wegen des Programms gewählt, 33% wegen seiner Persönlichkeit, 17% wegen seiner politischen Zugehörigkeit.
Ein Hauptgrund, warum Besancenot der Erosion widerstehen konnte, war ein klar auf soziale Bereiche gerichtetes Programm und die klare Linie der LCR, sich eindeutig von der SP abzugrenzen.

Graz 29. April 2007
Johann Schögler

Erster Durchgang - offizielles Ergebnis:

SARKOZY Nicolas : 31.18% (extrem neoliberal + konservativ-reaktionär UMP)
ROYAL Ségolène : 25.87% (sozialdemokratisch-liberal)
BAYROU François : 18.57% (bürgerlich, UDF)
LE PEN Jean-Marie : 10.44% (extreme Rechte: Front National)
BESANCENOT Olivier : 4.08% (LCR, IV. Internationale, Trotzkisten)
DE VILLIERS Philippe : 2.23% (MPF)
BUFFET Marie-George : 1.93% (KPF)
VOYNET Dominique : 1.57% (Grüne)
LAGUILLER Arlette : 1.33% (Lutte Ouvrière, trotzkistisch)
BOVÉ José : 1.32% (linker Globalisierungskritiker)
NIHOUS Frédéric : 1.15% (CPNT)
SCHIVARDI Gérard : 0.34% PT (Lambertisten, trotzkistisch)

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